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Geschichte III – NS-Regime

Während der Zeit des Nationalsozialismus sind Rassismus und Antisemitismus in Deutschland allgegenwärtig, bestimmen die Politik und münden in den Holocaust.

Ideologie der NSDAP

Die rassistische Ideologie der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) ist einerseits durch den Antisemitismus geprägt und andererseits durch sogenannte „Rassentheorien“ und das Konzept der „Rassenhygiene“. Die Weltanschauung der NSDAP war geprägt von der Vorstellung, man könne Menschen in bestimmte „Rassen“ einteilen, die unterschiedlich viel wert seien. Die angeblich „minderwertigen Rassen“ wurden systematisch entrechtet und schließlich ermordet.

Das Ziel der „Rassenhygiene“ im Dritten Reich war es also, dass Volk von angeblich minderwertigen Menschen zu „säubern“. Ausdruck fand diese Politik beispielsweise in den 1935 verabschiedeten Nürnberger Gesetzen, die politische Rechte – also grundlegende Menschenrechte – nur noch denen gewährte, die eine „arische Abstammung“ nachweisen konnten. Die Idee der „Rassenhygiene“ spielte aber auch bei der Begründung der Vernichtungspolitik und des industriell organisierten Massenmords in den Konzentrationslagern eine Rolle und diente als Rechtfertigung für die „Euthanasie“-Politik im Dritten Reich, also der Ermordung von Menschen mit Behinderungen und psychisch kranken Menschen.

Heusenstamm als Beispiel für den totalitären Charakter des NS-Regimes:

Am 30. Januar 1933 wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt. Einmal an den Schalthebeln, nutzten die Nationalsozialist*innen alle Möglichkeiten, die die bestehende Gesetzte boten, um ihre Macht auszubauen. Widerstand und Kritik begegneten sie mit brutalem Terror. Gleichzeitig gewannen sie mit perfekt inszenierten Propagandaaufmärschen weitere Anhänger*innen. So dauerte es kein halbes Jahr, bis die Diktatur überall im Reich etabliert war, so auch in Heusenstamm mit seinen 3300 Einwohner*innen.

  • Anhänger*innen von SPD und KPD wurden eingeschüchtert, zusammengeschlagen und verhaftet.
  • Der SPD-Bürgermeister wurde durch einen NSDAP Anhänger ersetzt und die NSDAP stellte alle Gemeinderäte.
  • Alle Heusenstammer Vereine, die nicht der NSDAP nahestanden, wurden verboten. Darunter der „Arbeitergesangsverein Konkordia“ und der „Arbeiter-Radfahrverein Vorwärts“
  • Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 wurde der Bahnhofsvorplatz in „Adolf-Hitler-Platz“ umbenannt und es fanden Kundgebungen und öffentliche Anhörungen von Hitlerreden statt.
  • In der Volksschule in der Schulstraße wurden Rektor Sperling entlassen, weil er nicht linientreu war. „Rassenkunde“ wurde Unterrichtsprinzip in der Schule.
  • Die Bevölkerung wurde dazu aufgerufen, jüdische Geschäfte und Händler*innen zu boykottieren.
  • Alle Parteien außer der NSDAP wurden verboten.

Jüdisches Leben in Heusenstamm, zerstört und vernichtet im Dritten Reich:

Kurz vor der Machtübernahme der Nazis 1933 wohnten in Heusenstamm 30 jüdische Bürger*innen in 7 Familien und machten damit weniger als 1% der Bevölkerung aus. Die ersten Aufzeichnungen von jüdischem Leben in Heusenstamm gehen über 500 Jahre zurück. In der Kirchgasse 20 gab es einen Gebetssaal, der als Synagoge auch von jüdischen Menschen aus der Umgebung genutzt wurde. Auch der jüdische Friedhof ist Zeugnis der festen Verankerung jüdischen Lebens in Heusenstamm.

Die jüdischen Heusenstammer achteten wie auch ihre katholischen Nachbar*innen streng auf ihre religiösen Bräuche. Tür an Tür wohnend, gehörten diese Rituale zum Heusenstammer Alltag. Der Kontakt war vielfältig, über die Nachbarschaft, die Vereine, in der Schule und bei der Arbeit. In Familienangelegenheiten blieb man allerdings auf Distanz. Die Ehe zwischen Angehörigen verschiedener Konfessionen war die große Ausnahme, so wie bei der katholischen Heusenstammerin Alice und ihrem jüdischen Ehemann Isidor Gutenstein.

Dr. Roland Krebs engagiert sich im Heimat- und Geschichtsverein in Heusenstamm. Eindrücklich berichtet er im Interview von Isidor Gutenstein, der im gesamten Ort als „der Isi“ bekannt war. Vor seiner Ehe mit Alice lebte er mit seiner Schwester Klara in einem kleinen Haus in der Borngasse 13, das heute nicht mehr steht. Es machte keinen Unterschied, dass er Teil der jüdischen Gemeinde war und er war in der Heusenstammer Stadtgesellschaft bestens integriert und nahm rege am Vereinsleben teil. Viele seiner Freund*innen in Heusenstamm und Offenbach rieten Isidor dazu ins Ausland zu fliehen, da es für jüdische Menschen immer gefährlicher wurde. Obwohl es ihm aufgrund seiner guten Kontakte möglich gewesen wäre zu fliehen, kam es für ihn nicht infrage Heusenstamm zu verlassen. Im September 1943 wurde er im Alter von 47 Jahren in Auschwitz ermordet.

Nach der Machtübernahme der Nazis wurde das Leben für die jüdische Bevölkerung Heusenstamms immer schwieriger. Ihre Ausgrenzung betraf alle Lebensbereiche. So verloren jüdische Beamt*innen ihre Arbeit und durften nicht mehr in den Sportvereinen mitmachen und jüdische Schüler*innen durften nicht mehr auf die Volksschule gehen. Während des Pogroms vom 9. und 10. November 1938 wurde die Synagoge und die Häuser der jüdischen Familien verwüstet. Dabei wurden alle jüdischen Männer für 3 Monate unter unsäglichen Bedingungen im Konzentrationslager Buchenwald eingesperrt. Entlassen wurden sie erst, als sie eine Erklärung unterschrieben, in der sie versicherten das Land unverzüglich nach ihrer Freilassung zu verlassen.

Geschichtsaufarbeitung: „Es gibt noch viel zu tun und wir müssen in der heutigen Zeit wachsam sein“:

Interview mit Gisela Beez

Gisela Beez von der Stolperstein-Initiative Heusenstamm ist die Aufarbeitung der Verbrechen der NS-Zeit und das Gedenken an die Opfer wichtig. Im Interview berichtet sie über die Hürden, die die Geschichtsaufarbeitung gemacht hat. Vieles bleibt noch zu tun:

  • Zusätzlich zu den schon bestehenden 16 Stolpersteinen fehlen noch 11 weitere für die ermordeten jüdischen Heusenstammer*innen.
  • Es besteht noch kein sichtbares Gedenken an die bis zu 180 Zwangsarbeiter*innen während der NS-Zeit in Heusenstamm.
  • Auch das Schicksal der Heusenstammer*innen, die von Zwangssterilisation und Zwangseinweisung in eine Anstalt betroffen waren, muss weiter recherchiert und ein Gedenken geschaffen werden.
  • Die Schicksale der Menschen, die Widerstand geleistet haben und daraufhin misshandelt, gefolterten und ermordeten wurden muss noch weiter aufgearbeitet werden.

Das Erstarken der neurechten/rechtspopulistischen Bewegung in Deutschland macht Gisela Beez Sorgen und auch deshalb ist ihr die Gedenkarbeit wichtig, um die Kontinuität der rechten Ideologie zu entlarven und die Gesellschaft dazu aufzurufen, wachsam zu sein.

Weiterführende Informationen:

Auch politische Gegner*innen der Nazis und Widerständler*innen aus Heusenstamm wurden in das Gestapo-Gefängnis nach Offenbach gebracht und dort misshandelt. Heute befindet sich an dem Ort das Gebäude der Industrie- und Handwerkskammer. Auf diese und andere Orte der NS-Zeit in Offenbach macht die Offenbacher Geschichtswerkstatt bei ihren antifaschistischen Stadtrundfahrten aufmerksam. Mehr dazu kann in diesem Artikel nachgelesen werden:

https://www.fr.de/rhein-main/offenbach/gestapo-zentrale-stand-11389787.html

Bücher:

Spurensuche: NS-Zeit in Heusenstamm

Beez, Gisela (Autorin)

Mitwirkende: Fischer, Brigitte

Erscheinungsjahr: 1990/ Wolfgang Haas, Heusenstamm (Verlag)

Sie wohnten neben uns“: Die jüdischen Familien in Heusenstamm zwischen 1930 und 1945

Richter-Rauch, Sabine (Autorin)

Mitwirkende: Beez, Gisela

Erscheinungsjahr: 2008/ Selbstverlag